12. Januar 2013 bis 09. Februar 2013

Stefan Wegmüller

Opening: Samstag 12. Januar, 18 Uhr

„Umwelten sind unsichtbar. Ihre Grundstrukturen und alles überziehenden Muster entziehen sich der unmittelbaren Wahrnehmung."*Stefan Wegmüller entwirft in der Shooting Gallery eine Konstellation, die auf den ersten Blick als lose arrangierte Bildsequenzen anmuten. Sobald man seine Augen ein zweites Mal eingehender über die Bilder wandern lässt, findet man sich plötzlich in einer Situation wieder, die an ein Memory-Spiel erinnert. Bilder sind Zeichen, sind Informationen, die wir einordnen und innerhalb unseres Gedächtnisses „umdrehen" können. Der Künstler sabotiert gekonnt unsere Vorstellung von Bildern, die doch nicht sind, was sie zu sein vorgeben.

Die Fotografie einer blauen Flasche, darin enthalten ein Sonnenschutz-Produkt, wird durch die Retusche des Markenlogos zur erweiterten Bildinformation: Der Körper mit den Fingerabdrücken erinnert an ein Wurfgeschoss. Die Fotografie einer Faust, Passiv- aggressiv, liest sich als objektgewordener Pleonasmus – spätestens dann, wenn wir im Aussenbereich des Ausstellungsraumes auf die Publikation Wasserwerfer stossen. Die Begriffe Stabilität und Flexion funktionieren als zusätzliches Bindeglied zwischen den einzelnen Informationen, einerseits im Bild selbst enthalten, wie in den zusammenhängenden Türfallen, ähnlich einem Bumerang, sowie andererseits innerhalb der Gruppierungen der einzelnen Arbeiten. Durch das Aneinanderreihen und „neu-aufdecken" von Auskünften wird eine Neubewertung in Gang gesetzt: Diese Kette von reflektiven Gedankengängen funktioniert als Sinnproduktion. Die Neubewertung von Informationen wird von Stefan Wegmüller aktiv in Gang gesetzt, er unterlässt jedoch, uns Spielern irgend- eine Form von Wertigkeit als zusätzliche Karte mitzugeben. The Coming Insurrection, 2012 zeigt das Cover des gleichnamigen französischsprachigen Traktat zum unwiderruflichen Kollaps der kapitalistischen Kultur, veröffentlicht 2007 von einem „unsichtbaren Komitee". Als monochrome blaue Farbfläche erinnert es an ein Werk der Konkreten. Die feine Referenz an die blaue Flasche rechts wird brisant, sobald man die glänzende Schrift entziffert hat. Eine weitere Karte kann aufgedeckt werden, wenn man sich durch die tanzenden Körper blättert: Menschen in Bewegung, die Arme teilweise in Wurfhaltung oder sich duckend positioniert, täuschen einen Augenblick über die Brutalität des eigentlichen Ereignisses hinweg: Stefan Wegmüller sammelte in den letzten Jahren Bildmaterial von Protesten und Aufständen im Internet. Diese Momentaufnahmen wurden zu einem grossen Teil von ihrer Umgebungsinformation beschnitten und auf die singuläre Figur beschränkt. Die Wasserwerfer fehlen gänzlich, ebenso wie Strassenschilder oder Ordnungshüter in Uniformen. Als Betrachtende sind wir nun selbst verantwortlich für das Einreihen dieser Bilder: Ästhetisch überzeugende Formen und/oder Bilder von Wut, Trauer und Isolation.

*Marshall Mc Luhan, „Das Medium ist die Massage", 1969